05.10.18

Harninkontinenz darf nicht einsam machen

Harninkontinenz ist leider immer noch ein Tabuthema, auch wenn Millionen von Menschen darunter leiden. Viele schweigen darüber, weil sie Hemmungen haben, mit ihrem Umfeld oder auch einem Arzt über ihre Beschwerden zu sprechen. Aber es gibt Behandlungsmöglichkeiten, und Menschen mit Inkontinenz sind nicht allein.

Jede zehnte Frau zwischen 40 und 49 Jahren leidet unter einem unfreiwilligen Urinverlust, jede vierte Frau zwischen 60 und 70 Jahren und mehr als jede dritte Frau mit über 80 Jahren, wie eine Befragung des Robert Koch-Instituts ergeben hat.
Zu den wichtigen Strategien, eine Harninkontinenz im Alltag zu beherrschen, gehören:

  • die Feststellung der Ursachen – Stress-, Drang- oder kombinierte Harninkontinenz - durch den Frauenarzt,
  • die ursachengerechte Behandlung z.B. durch tägliche Beckenbodengymnastik und/oder Medikamente,
  • die Trinkmenge deutlich zu erhöhen, damit die Aggressivität eines konzentrierten Urins nicht die Schleimhaut und damit die Dichtigkeit der Blase schädigt,
  • abends weniger zu trinken, damit man nachts nicht aufstehen muss, bei Notwendigkeit saugfähige Einlagen bzw. Inkontinenz-Höschen zu tragen, nur solche Wege gehen, an denen man in kurzer Distanz eine Toilette erreichen kann,
  • Sport zu meiden, bei dem durch Sprünge und dynamischen Körpereinsatz die Gefahr des Urinverlusts besteht.

Das alles wird dabei helfen, den Urinverlust zu kontrollieren und das Leben über lange Zeit weitgehend unauffällig zu gestalten. "Mehr als die Hälfte der Frauen, die inkontinent sind, hat jedoch noch nie darüber mit ihrem Frauenarzt gesprochen", stellt Dr. med. Christian Albring fest, Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte und niedergelassener Frauenarzt in Hannover. Ursachen seien der Verdacht, dass es sich um einen normalen Altersprozess handele, bzw. die Peinlichkeit der Schwäche ihres Körpers. "Aber diese Reaktion ist grundfalsch. Häufig finden sich gerade bei älteren Damen chronische Harnwegsinfektionen, die mit einem Antibiotikum, gegebenenfalls unterstützt durch eine lokale Hormonbehandlung, sehr gut behandelt werden können. Oder es findet sich eine Schwäche des Beckenbodens, die einer ärztlichen Behandlung zugänglich ist."

Schwäche des Beckenbodens - Vorbeugung ist die beste Therapie


„Eine Schwäche des Beckenbodens reagiert oft gut auf ein spezielles Muskeltraining oder eine spezielle physiotherapeutische Behandlung“, erläutert der Frauenarzt. Damit verbunden ist dann auch ein besserer Verschluss der Harnröhre. Außerdem ist es hilfreich, ein Zuviel an Körpergewicht abzubauen: "Bei vielen Patientinnen drückt der übergewichtige Bauchraum auf die Blase, deren schwacher Verschluss dadurch nicht hält", erläutert Albring.

Noch besser wäre es, so Albring, einer Beckenbodenschwäche und damit einer Harninkontinenz schon frühzeitig vorzubeugen. "Sport hilft, den Beckenboden zu kräftigen. Außerdem ist das Risiko für Beckenbodenprobleme größer bei Frauen, die Schwangerschaften bzw. Geburten hinter sich haben. Je höher das Gewicht des Kindes bei der Geburt ist, umso größer ist die Gefahr, dass die Geburt länger dauert; dabei erhöht sich das Risiko einer Überdehnungen des Beckenbodens und einer Quetschung von Gewebe, die in der Folge nicht von allein ausheilt. Deshalb hilft eine bewusste Ernährung vor und in der Schwangerschaft, nicht nur ein gesundes Baby zu bekommen, sondern auch späteren Beckenbodenproblemen vorzubeugen. Konsequente Beckenbodengymnastik nach der Geburt ist ein Muss. Bei Frauen über 35, 40 Jahre treten bei natürlichen Geburten häufiger Überdehnungen und bleibende Verletzungen der Beckenboden-Strukturen auf; somit spielt auch das Alter bei den Geburten eine Rolle bei der Frage, ob eine Frau ein Risiko für eine Inkontinenz haben wird."

Hormone beeinflussen die Harnröhre

Das weibliche Hormon Östrogen aktiviert und regeneriert nicht nur die Haut der Vagina, sondern auch die Schleimhaut der Harnröhre und Blase. Ein stark absinkender Östrogenspiegel, wie er in den Wechseljahren, aber auch zum Beispiel bei einer Antihormon-Therapie bei Brustkrebs auftritt, führt dazu, dass die Schleimhaut der Blase und Harnröhre dünn und verletzlich wird. "Deshalb kann es passieren, dass die Harnröhre nicht mehr ganz dicht abschließt. Eine örtliche Behandlung mit einer Hormonzubereitung, die nur lokal wirkt, hilft nicht nur dabei, dass sich die Haut der Vagina regeneriert; sie wirkt auch auf die Harnröhre und Blase, so dass hormonmangelbedingte Symptome des ständigen Blasendrucks und der Verlust von Harn aufhören", erläutert Albring. "Eine solche Behandlung hat keinerlei Einfluss auf das Krebsrisiko und kann deshalb ohne Bedenken von jeder Frau angewendet werden, die unter entsprechenden Symptomen leidet. Viele Frauen erleben es als eine große Erleichterung, dass ihre Vagina im Anschluss nicht mehr so trocken und schmerzhaft ist, was auch den Geschlechtsverkehr erleichtert."

Abhängig von der Ursache ist auch eine operative Therapie sinnvoll. Diese wird von in der Urogynäkologie versierten KollegInnen durchgeführt.

Sich dauerhaft auf Einlagen und Inkontinenz-Höschen einzurichten, hält der Frauenarzt nur für die letzte der Möglichkeiten. "Aber auch hier ist das Gespräch mit dem Frauenarzt günstig, denn solche Inkontinenz-Produkte können auf einem Heilmittelrezept verordnet werden."

Quelle: Pressemitteilung des Berufsverbandes der Frauenärzte e.V.
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